Ein Talisman (vom arabischen tilsam abgeleitet, Zauberbild) ist ein kleiner Gegenstand, oft ein Bild aus
Metall oder Stein, der gegen Krankheiten und Zauberei schützen soll oder als allgemeiner
Glücksbringer dient.
In der philatelistischen Literatur wird man vergeblich nach einem Talisman suchen, dennoch gibt es ihn!
Der Ursprung liegt vermutlich bei den sogenannten "Fuhrmannsbriefen", denn
diese Briefe hatten einen "Spruch" oder Zusatz.
Die Fuhrleute, welche Waren von und zu Handelsorten brachten, hatten es auch schwer. Es gab keine Straßen,
nur ausgefahrene Wege, Sand, Matsch, Schnee.
|
|
Und sie wurden oft von Räubern überfallen, weshalb sich Fuhrwerke zu Geleiten zusammenschlossen
und von Bewaffneten bzw. Stadtsoldaten beschützt wurden.
Und immer wenn es gefährlich war, erhielten Briefe einen Zusatz bzw. Talisman, mit dem ein erfolgreiches
Ankommen "beschworen" wurde.
Das übertrug sich dann auch auf die gefährliche Seefahrt, beginnend mit den muslemischen
Seeräubern im Mittelmeer. Nachdem sie die Schiffe gekapert hatten,
nahmen sie die christlichen Seefahrer als Geiseln für Lösegeldforderungen oder sie verkauften
sie als Sklaven.
|
Ein ägyptischer Brief von 1882. Der Talisman, in Ägypten Buh genannt, besteht hier aus den arabischen
Ziffern 8642, über dem rechten Stempel.
Viele Boten der vergangenen Zeit konnten nicht Lesen, aber die Ziffernfolge als "Bild" mit einer Aussage
interpretieren.
|
|
Die Seefahrt war seit ihren Anfängen bis ins 19. Jahrhundert ein gefährlicher Berufsstand.
Die Navigation war mit den damaligen primitiven Hilfsmitteln extrem schwierig, es gab keine Wetterberichte,
die Seekarten waren grob und unvollständig, Meeresströmungen und Sichtverhältnisse waren
unbekannt.
Die Kapitäne waren auf Gedeih und Verderb den Windverhältnissen ausgeliefert, Motoren gab es nicht.
|
Die Segelschiffe liefen oft nicht, auch nicht verspätet, in den Bestimmungshafen ein,
sondern sie waren und blieben verschollen.
Sie waren unwiderbringlich verloren, die Seeleute, die Schiffe, die Ladung und die Schiffspost.
Viele Segelschiffe strandeten an unbekannten Küsten, gingen im Sturm unter.
|
|
Deshalb wurden Briefe auch immer in
mehreren Exemplaren geschrieben (oft außen auf dem Brief vermerkt) und auf verschiedene Schiffe zum
Transport mitgegeben, um eine größere Wahrscheinlichkeit des Ankommens zu haben.
Und da war es in dieser Zeit natürlich, selbstverständlich, wichtig und sinnvoll, wenn sich der
Briefschreiber für den Brieftransport auf dem unsicheren Schiff den sichernden Segen vom lieben Gott erbat.
Diese ’Bitte’ wurde auf dem Brief unten links deutlich aufgeschrieben.
Wir nennen sie Talisman.
|
Auf den hier gezeigten Schiffspostbriefen ist ein Talisman eine Bitte an den Gott, Schiff und Brief den
Bestimmungshafen zu erreichen.
Diese Bitte wurde in Abkürzungen formuliert, die der lateinisachen Sprache entstammten:
Wir finden dort z.B. C.D.A. (Cum Deus Adveniat), Q.D.C. (Quem Deus Conservat) oder Q.D.G (Quem Dio Gratia).
|
Ein Brief von Korfu nach Venedig 1718 mit dem Talisman (links unten):
Con Marsig - mit dem Segelschiff, C.D.A. - Cum Deus Adveniat, mit Gottes Hilfe ankommen.
|
Ein Brief aus dem Jahre 1685 von Alicante nach Livorno.
Talisman: Con Nave - mit dem Schiff, che dio salvi - (Post), die Gott beschützen möge.
|
Im 17. Jahrhundert war es üblich, in Kaffeehäusern oder Tavernen Briefe aufzugeben.
Dem Kapitän wurde der Brief persönlich übergeben oder der Brief wurde in einen
Bestimmungsort-Beutel gelegt.
Hierfür erhielt der Kapitän "one Penny", vom Absender oder Empfänger, der
als ’Captain’s Gratuity’ mit der staatlichen Post legalisiert war.
Angeblich ignorierten viele Kapitäne den einen Penny pro Brief,weil er ihnen zu wenig war.
(Gratuity - Belohnung, Trinkgeld)
Man vermutet deswegen, daß nur ein Zehntel der Briefe den Empfänger erreichten.
Ob die Absender dies wußten und der Talisman deshalb einen neuen Sinn bekam?
|
|
|
Gefährliche Seefahrt !
|
|
Ein Brief von Kairo nach Venedig 1747 mit dem Talisman:
Bezz che D.C. = ?? che Dei Currat (Conservat), die mit Gott fährt bzw. die Gott erhalten möge
|
Ein Brief aus dem Jahre 1777 von Jamaica nach Edinburgh.
Talisman: Per the Cecilia Capt. Paterson - mit der Cecilia des Kapitäns Paterson,
Q.D.C. - Quem Deus Conservant - (Post) die Gott erhalten möge
|
|
Ein erhalten gebliebener alter Segelschiffsbrief mit Talisman ist nichts Alltägliches, sondern
etwas Besonderes und Seltenes.
|
|
Ein Brief aus dem Jahre 1759 von Smyrna nach Venedig.
Talisman: Con Capitano Ragusin - mit dem Kapitän Ragusin, C.D.C. Cum Dei Currat (Conservat) -
Post die Mit Gott fährt,
bzw. die Gott erhalten möge.
|
Ein Brief aus dem Jahre 1590 von Hamburg nach London.
Talisman: Con La Naue de Barthold Wytteheim, mit dem Schiff des Barthold Wytteheim
F dio salvi, dio salui, Post die Gott beschützen möge bzw, Post die Gott anbefohlen.
|
|
Aber was fängt die Philatelie mit solchen Briefen an und was sagen die Regeln des Wettbewerbes?
Zunächst müssen wir da Begriffe und Definitionen uns in Erinnerung rufen. Philatelie hat
etwas mit ’der Post’ zu tun und die Post hat etwas mit ’einer staatlich organisierten/sanktionierten
Übermittlung von schriftlichen Informationen’ zu tun.
|
|
Ein Brief aus dem Jahre 1749 von Smyrna nach Venedig.
Talisman: Con Volsolina - mit dem Schiff Volsolina, C.D.A. Cum Deo Adveniat - Post die Mit Gottes
Hilfe ankommen möge.
|
Beim Talisman handelt es sich um einen privaten Vermerk auf einem Brief, welcher sporadisch,
unorganisiert und privat einem Segelschiffskapitän übergeben wurde, weil es halt noch keine Post gab.
Man kann darüber streiten, aber der Talisman ist postgeschichtlich nicht verwendbar!
Man ist mit diesen Belegen in der sogenannten "Borderline", einem Grenzgebiet zur strengen Philatelie!
|
|
Ein Brief aus dem Jahre 1754 von Smyrna nach Venedig.
Talisman: Con Capitano Greg Chioreo - mit dem Kapitän Greg Chioreo, Con Dei - Post
mit Gott.
|
Bei Ausstellungen verlangt das Thematik-Reglement von einem gezeigten Stück, daß es zur Philatelie
zählen muß und daß die ausgewerteten Elemente postalischer Natur sind.
Ersteres mag bei unseren Talisman Briefen mit Kapitäns Hinweisen gerade noch gegeben sein,
letzteres wird schwierig.
Argumentiert jemand jedoch mit “Postersatz“, so kann er ein solches Stück rechtfertigen und die Angabe
über den Transporteur des Briefes thematisch nutzen.
Weil es sich aber um Borderline-Material handelt,
wird gemäß dem Reglement der Beleg zwar thematisch akzeptiert, bei der Bewertung der Seltenheit jedoch ignoriert.
Eigentlich schade! Postgeschichte ist eben (nur) die Geschichte der Post und
nur Postalisches ist philatelistisch und dann auch thematisch verwendbar.
|
|
Quellen und Textauszüge von:
Jürgen Berghaus, Talisman in der Philatelie, ... schon mal gehört, oder?
Abbildungen aus den Sammlungen von Heinz Kroiss, Jürgen Berghaus, Ulrich Eckstein,
Maria und Werner Driever.
|
|